forschungsreise ins land der gegensätze

Reisebericht Himalaya/Nordindien Dezember 2017 (Ausschnitte)

Nach einer turbulent-stürmischen Zwischenlandung in Frankfurt verlief die weitere Flugreise sehr angenehm im Gespräch mit einem begeisterten indischen, in London agierenden Richter, der mich als seinen neuen Guru in Sachen Yoga und Meditation bezeichnete. Einen neuen Ohrwurm summend stieg ich dann spätnachts in Delhi aus dem Flugzeug: ein kleiner indischer Junge hatte an die sechs Stunden (!) mit kleinen Unterbrechungen „Jingle Bells“ vor sich hingesungen oder besser gekrächzt bis geschrien - und keiner schien sich daran zu stören… Mein neues Mantra!

 

Der knallrote Trolley, welchen ich auf der letzten Indienreise gekauft hatte, gab schon am Anfang der Reise nach der Zollkontrolle im Salzburger Flughafen den Geist auf: Henkel abgerissen und Schiebestützvorrichtung abgebrochen - na servas… Der neue in Delhi kostete für indische Verhältnisse ein Vermögen, geschlagene € 93,-! Dafür drei Jahre Garantie beim selben Händler, falls wieder mal die Schiebestützvorrichtung abbrechen und der Henkel abreissen sollte. Ist ja bei mir fast ums Eck :-)

Der Taxifahrer zum Zugbahnhof fügte der dreispurigen „Autobahn“ eine vierte hinzu, bis ihm ein unbeleuchteter (aus unserer Sicht) Geisterfahrer entgegen kam, diesem ließ er einfach ohne Kommentar mit Seelenruhe den Vorrang. Für mich als Pitta dominierten Typen eine Herausforderung (musste meine feurige Zunge hüten…)!

Der Autofahrer vor uns öffnete mehrmals während der nicht gerade langsamen Fahrtgeschwindigkeit seine Wagentür, um eingehend den rechten Vorderreifen zu begutachten - eine wohl ökonomische sprich zeitsparende Vorgehensweise: Multitasking! In Indien wird übrigens links gefahren, also bog sich der Kopf des Chauffeurs zur Straßenmitte hin, der Abstand zu den Nebenfahrern war auf Tuchfühlung. Der Zug nach Kathgodam war zu meinem Erstaunen fast leer, so etwas war für mich in Indien noch neu!

Der Dreck von „Menschen erzeugtem Abfall“ (Plastik Ende nie) neben den Gleisen vermischte sich  mit der bunten Blütenpracht von rosafarbenen Rhododendren. Der LKW hier hätte um ein Haar im Affentempo mein zu Boden gefallenes Handy überfahren- so war nur das Glas zerbrochen...

 

Der Anamay Ashram ist an einem nach Osten gebogenen Hang gelegen, wodurch sich uns wunderbare Sonnenaufgänge sowie knallrote Berge beim Sonnenuntergang zeigen.

Am 1. Gheetag Beginn der ayurvedischen Diät mit Hanfsuppe (genannt „Hemp Chutney“), die sich unbeabsichtigterweise als ziemlich bewusstseinsverändernd heraus stellte. Alle, die davon gegessen hatten, waren nach spätestens zwei Stunden „stoned“… Ich wunderte mich, dass sich beim Spaziergang alles drehte und ich meine Bewegungskoordinaten nicht mehr unter Kontrolle hatte. Die anschließende Meditation fühlte sich ziemlich abgehoben an und eigenartige Phantasien spielten sich ab im Kopf, schlichtweg eine „krasse“ Erfahrung. Und das mir, die ich mein Leben lang keine Dogen ausprobiert hatte - an einem Platz, der wahres Yoga-Wissen lebt! Es stellte sich später heraus, dass die Hanfsamen fälschlicherweise mit Hülse geliefert worden waren bzw in manchen Sorten sind die „gefährlichen“ Substanzen auch im Kern enthalten. Die rote Kakteen ähnliche Pflanze am Waldboden kannte nicht mal der hiesige Vaidya (Ayurvedaarzt). Die gelben Kugeln sind Schlangenfutter :-).

Die Stille der morgendlichen wie abendlichen Meditationszeiten wird gelegentlich vom Gesang (Chanting) der ca. 50 jungen Pandits durchdrungen, manchmal versetzt mit einem fast erschreckend lauten Muschelhornblasen. Die Geräuschkulisse wird von den herum tosenden Affen abgerundet. Vor allem nachmittags suchen sie alles nur irgendwie Essbare für sich zu erhaschen und auch einem Handy sind sie nicht abgeneigt. Gerne fangen sie nachts um drei an, ihren ersten Morgensprung am Blechdach über meinem Kopf zu machen, gefolgt von einem (für sie) lustigen Fang-Trampelspiel, huhuuuu… Das kann ich ihnen trotz der witzigen Grimassen und dem Sich-Gegenseitigen-Lausen nicht ganz verzeihen.

Was sucht denn ein westlicher Mensch in Indien anderes als innere Ruhe? Solche Situationen sind die besten Lehrmeister dafür.

Nun, in der Dunkelheit bewegt man sich zwischen den Häusern nur mit einem klaren Taschenlampenlicht, welches im Falle, dass ein leuchtend-starrendes Augenpaar auftaucht, gegen dieses gerichtet wird. Denn Tiger greifen nur in reiner Finsternis an, sie werden bei Gegenlicht sozusagen „nachtblind“. Also einfach drauf achten, dass die Batterie genügend geladen ist…!

Gute Nacht und Namaste fürs Erste!

 

Das besondere an der Gegend sind ein wunderbarer Ausblick auf das ganze Himalayamassiv, extrem schöne Sonnenauf- und -Untergänge in verschiedensten Varianten - von klar bis bewölkt oder feinen Luftschichten durchzogen - die klare Luft (Prana ist förmlich spürbar) und endlosen Pinienwälder, manchmal durchbrochen von gestuften Reis- und meist Schwarzteeplantagen mit elegant gerundeten Grenzmarkierungen. Das Geschnatter der lokalen Teeblattpflückerinnen ist weithin zu hören, (für mich) weniger zu verstehen. Aber ich versäume wohl nichts dabei…

 

In der zweiten Woche werde ich im Ashram als Trainerin und Supervisorin der Ayurvedatherapeutinnen eingesetzt, denn symmetrische Massagen und Bewegungen sowie gerade Linien liegen Indern ja nicht unbedingt im Blut. Grundsätzlich geht es bei der ayurvedischen Reinigungskur nicht nur um Reinigung des Körpers sondern auch um Gleichgewicht in Geist und Emotionen, letztendlich um Verfeinerung und Bewusstseinsentwicklung. Die Gehirnwellenkohärenz wird laut Untersuchungen durch die gegengleichen Bewegungen der massierenden Hände der beiden Therapeutinnen unterstützt. Ich beobachtete mit Faszination den Effekt deren meist asymmetrischen Bewegungen. Es fühlte sich an als würden sich die Gehirnhälften verschieben, etwas in mir wurde schief(er)…. Zum Schluss klappte es dann ganz gut. Die Übersetzerin bezweifelte jedoch, ob die Genauigkeit und Professionalität, die wir in den 12 Tagen mühsam erarbeitet hatten, bei den nächsten Patientinnen noch anhalten würde………………onlyinIndia.

 

In Kausani gibt es ausserdem einen Frauenashram, der sowie auch Anamay Ashram eine biologische Gärtnerei hat und für mich zu den saubersten Orten gehört, die ich in diesem Land der extremen Gegensätze bisher gesehen habe.

 

Die Maharishi Pandits (Brahmanen und Brahmnensöhne) sind in ganz Indien hochgeschätzt als gelehrte und qualitativ hochwertige "Chanter", welche das Rezitieren von Sanskrit-Slokas von Kleinauf lernen. Das Anhören und Ausführen von Yagyas, den vedischen Heilungszeremonien harmonisiert das Kollektivbewusstsein und bringt Frieden im Universum nach dem Motto "Vermeide die Gefahr, bevor sie eintritt" - Heyam Dukham Anagatam!

Ich bewundere ihre klare, gesunde und männliche bzw. in sich ruhende Ausstrahlung, ihr gutes Benehmen (in Indien nicht selbstverständlich) und stundenlang anhaltendes auswendiges Chanten - ohne aus dem Schneider- oder Lotussitz aufzustehen, ohne Blasendrang (für Frauen ohnehin schwerer nachvollziehbar), ohne Essen geschweige denn Trinken. Disziplin ist ihre Stärke!

 

Bei aller Tierliebe... die Affen hielten mich ganz schön auf Trab in den Ruhezeiten und nachts tumelte sich eine Familie von Marder ähnlichem Viehzirkus mit ständigem trabtrab und fiepfiep über meinem Kopf am Blechdach herum.

Vor meiner Abreise hatte ich einen klaren Wunsch, ein letztes Foto von Affen zu machen, ging in mein Zimmer - und da war er/sie/es: ein Riesengetier, das fast das ganze Fenster ausfüllte. Angeblich eine Meerkatze, die dann das Fensterglas abschleckte :-). Hunger? Liebe? Feuchtigkeit?

Kühe sind ja bekanntlich heilig hier und haben auch im Straßenverkehr Vorrang. Leider fressen sie zu gerne von den mit Plastik übersäten Müllhaufen, die ihnen nicht selten die Mägen verderben. Wisst ihr, warum die Brahminkühe einen Höcker am Nacken haben? Ist ein toller Wasserspeicher, die Natur ist einfach genial kreativ!

 

Nach zweieinhalb Wochen fahre ich mit dem Ashramleiter per Auto und Zug nach Delhi und weiter nach Noida, wo ich von der Familie des Ayurvedaarztes Vaidya Adchyut Tripathi, der 1985 den Maharishi Ayurveda in Indien aufbrachte und auch im Westen mit verbreitete (inzwischen international als einer der renommiertesten Ayurvedasysteme bekannt) sehr herzlich aufgenommen werde. Privatsphäre ade! Ich versuche nicht einmal mehr, etwas dafür zu tun. Mein kleines (Durchgangs-)Zimmer ist eigentlich ein Büro und wird auch weiterhin als solches gesehen und benutzt. Klein und Groß nimmt Anteil an meinem Kofferinhalt, wobei ich mir nicht die geringste Sorge bezüglich Sicherheit zu machen brauche. Aber manchmal ist Rückzug angesagt bei all den unzähligen Eindrücken. Als jedoch während meiner nächsten Meditation die 38-jährige Tochter des Hauses ohne Voranmeldung die Zimmertüre aufreisst und laut „Wali I need bulb!“ ins dunkle Zimmer rein schreit, da ist es mir schon mal etwas zu viel. Dennoch gebe ich ihr still und freundlich die Glühbirne, welche sie mich beim Einkauf gebeten hatte für sie aufzuheben. Das grell auf mein Gesicht einfallende Licht hat mich etwas geblendet und so dauert es dann eine Weile, bis in mir wieder alles zur seligen Ruhe kommt. 

Sie haben und brauchen im Haus weder Heizung noch Glas, die Fenster bestehen aus einem offenen Gittergerüst. Es ist Winter und zur Zeit so etwas über dem Gefrierpunkt. Umso konsequenter mache ich die Yoga Asanas, besonders die anstrengenden, kräftigenden… den „Skorpion“ halte ich inzwischen neuneinhalb Sekunden, bald noch länger! 

Siehe auch meine Bilder hier...